Johann Konrad Eberlein über Harald de Bary
Nach 1945 standen die bildenden Künstler vor dem Problem, einerseits die Katastrophe und ihre Folgen unbeschönigt wahrzunehmen, zugleich aber andererseits nach nichtaffirmativen Antworten suchen zu müssen. Die Kunst wurde zu einer Grazie mit gebrochenen Flügeln. Innerhalb der Malerei war die Richtung des "Informel" ein solcher Versuch, auf die epochale Katastrophe richtig zu reagieren. Voraussetzung war die Befreiung der Abstraktion vom bis dahin verbreiteten Vorurteil einer dekorativen, harmlosen und ohne großen Aufwand zu meisternden Kunstübung. Im Gefolge einer beispiellosen Aufwertung durch Kunstgeschichte, Kunstkritik und Ausstellungswesen, verstärkt durch politische Gründe, wurde das abstrakte Schaffen zur einzig adäquaten Suche nach dem Unbedingten, dem Geistigen geadelt und damit zur Weltsprache der Moderne erhoben. Die "Gegenstandslosigkeit" allein schien geeignet, die Aufgabe der Bewältigung der Gegenwart zu lösen. Für ein weites Publikum spiegelte sie die allgemeine Zerstörung wider. Sie konnte aber auch ikonographische Zeichen der Wiederaufbaustimmung enthalten wie die Verwendung von Fundstücken oder die Spachteltechnik. In zahllosen Werken wurde der Grundgedanke der Nachkriegszeit, die Suche nach der "Struktur", auf entsprechend gegliederten Bildflächen oder über serielle Wiederholungen verbildlicht und damit "untersucht".
Geprägt von äußerster Unmittelbarkeit stellen die Werke de Barys den Betrachter vor grundsätzlich Unerwartetes. Unter den deutschen Vertretern des Informel ragt er durch die Spontaneität seiner persönlichen Sicht und die Ungezwungenheit ihrer formalen Umsetzung heraus. Sein Schaffen ist eine vom Standpunkt völliger Unabhängigkeit aus geführte Kommunikation, die ihre Adressaten allein über ihre Formulierungen erreichen will, die nach dem Willen ihres Urhebers in jeweils neu bestimmte künstlerische Formen gefaßt sind.
Harald de Bary (geb. 1935 in Frankfurt/Main) gehört zur jüngeren Generation der deutschen "Informel"-Künstler. Der Maler und Pfarrer der Christengemeinschaft Johannes Rath (1910-1973) hatte den Jungen, der einer altadeligen Familie enstammte und in seiner total zerstörten Heimatstadt aufwuchs, zur abstrakten Malerei geführt. Nachdem er noch als Schüler 1954-56 Unterricht bei dem Mitglied der Gruppe "Quadriga" Heinz Kreutz erhalten und damit eines der Zentren des deutschen "Informel" kennengelernt hatte, studierte er 1956-60 in Stuttgart bei Heinrich Wildemann (1904-1964), einem der wichtigsten Vertreter der gegenstandslosen Malerei im Nachkriegsdeutschland. Ohne diese Anregungen je zu verleugnen, löste sich Harald de Bary nach dem Studium doch so weit von ihnen, daß er sie in eine eigene Bildästhetik einfügen konnte. Er entwickelte ein außerordentlich weites Spektrum an formalen Darstellungsmitteln, die sich als Verwandlungen thematischer Anregungen lesen lassen. Die Anknüpfung an die Kinderbilder, religiöse Themen, das Verfallene und Ruinöse, beschworen nicht zuletzt über Fundstücke, akzentuieren sein Schaffen ebenso wie z. B. die Reminiszenzen der Afrikareisen, zu denen ihn seine Mutter, die Schriftstellerin und Afrikareisende Erica de Bary, anregte. Mit den Ausdrucksmitteln des "Informel" wurde das Selbsterlebte zum Reflex der Zeit und der Frankfurter Patrizier damit zu einem Chronisten, der das "Geistige" in Gestalt des abstrakten Bildes aus psychologischen Vorausssetzungen extrahierte, die ihren jeweiligen Ort haben. Die Spannweite der beschworenen Empfindungen reicht vom Kindlichen über das Ironische, das Abseitige, aber auch das Religiöse, das Dominante bis zum Natürlichen oder Lieblichen. Das soziale Thema der "Strukturen" wird mit seriellen Schöpfungen behandelt, zu denen die vielen Strichzeichnungen gehören, die aber auch als "Schlagbilder" abgründige psychische Dimensionen ansprechen.
Geprägt von äußerster Unmittelbarkeit stellen die Werke de Barys den Betrachter vor grundsätzlich Unerwartetes. Unter den deutschen Vertretern des Informel ragt er durch die Spontaneität seiner persönlichen Sicht und die Ungezwungenheit ihrer formalen Umsetzung heraus. Sein Schaffen ist eine vom Standpunkt völliger Unabhängigkeit aus geführte Kommunikation, die ihre Adressaten allein über ihre Formulierungen erreichen will, die nach dem Willen ihres Urhebers in jeweils neu bestimmte künstlerische Formen gefaßt sind.
Johann Konrad Eberlein
Johann Konrad Eberlein hat eine umfassende Monografie über Leben und Werk von Harald de Bary geschrieben. Das Buch enthält auch ein (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung) vollständiges Werkverzeichnis:
Harald de Bary - Leben und Werk / Life and Work